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Zeitwert Brille : Neutrale Zeitwert / Gebrauchswert - Ermittlung

Aktuelle Version: ZGWE_VS_10® seit dem 15.02.2015

Inhalt:

1. Hintergrund zur Entwicklung der "ZGWE"

2. Bewertungskriterien in Grundsatz

3. Der "Unsinn" mit dem Wiederbeschaffungs-Rythmus

• Allensbach 2002 & 2008

4. Die genauen Bewertungskriterien

• für die Brillenfassung

• für die Brillengläser (Brillen-Linsen)

5. Wer erstellt eine neutrale Zeit-Gebrauchswert-Ermittlung ?

6. Welche Daten und Informationen sind hierfür erforderlich ?

7. Kosten

8. Artikel von Herrn Rechtsanwalt Peter Schreiber (ZVA Düsseldorf)

in der DOZ 09/2008

• Gerichtsurteile zum Zeit-Gebrauchswert

• Verhalten der Versicherer

 

Zu 1: Hintergrund zur Forderung nach Entwicklung einer Zeit-Gebrauchswert-Ermittlung für Brillen

Fälschlicherweise wird bei Brillen als Haftpflichtschaden von für Versicherungen tätigen Gutachtern ein Zeitwert oder Restwert oft rein nach dem Anschaffungsdatum berechnet.

Die neutralen Augenoptik-Sachverständigen konnten diese Herunterrechnungen nicht nachvollziehen, sodaß ab 2003 dieses Programm von meiner Person entwickelt und weiterentwickelt wurde. Die Kriterien entsprechen gemäß Abstimmung der Ansicht aller öffentl. best. und vereidigten Sachverständigen in Deutschland.

Da es keinen Markt für gebrauchte Brillen gibt, existierte auch bis Ende 2004 keine einheitliche Regelung zur Handhabung einer solchen Frage. Jeder Sachverständige handelte bislang nach eigenem Ermessen und die Ergebnisse waren extrem unterschiedlich.

 

Mittlerweile kann diese Frage eindeutig beantwortet werden:

• Berücksichtigt wird hierbei der individuelle Gebrauchswert für den Träger/Nutzer

• Ein hierfür erstelltes Programm (bezeichnet als "ZGWE") berechnet nach Eingabe  der relevanten Daten den Zeit-Gebrauchswert sowohl für eine Brillenfassung als auch für die Korrektionsgläser unabhängig voneinander auf den Tag genau.

• Die fundierten, festen Kriterien der Bewertung entsprechen den Ansichten und Meinungen der Mehrheit der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, also den unabhängigen, neutralen Sachverständigen.

 


 

Zu 2: Die Bewertungskriterien im Grundsatz

Es wurde häufig von "selbsternannten - meist für Versicherungen tätigen - Sachverständigen" behauptet, daß eine Brille ein Produkt aus zwei Halbfertigprodukten besteht, welche untrennbar miteinander verbunden sind und nicht einzeln weiterverarbeitet werden könnten.

Somit sollte dieser fachfremden Ansicht nach die Brille als Gesamtprodukt bewertet werden und nicht die Fassung und Brillengläser als Einzelprodukte. Dieses führte in der Vergangenheit immer wieder zu angeblichen "Totalschäden" auch bei relativ kleinen Beschädigungen. Festgestellt wurde dann:Ein Brillenglas ist beschädigt, folglich hat die Brillenfassung auch keinen Wert mehr.

 

Beispiel:

Der für eine Versicherung tätige Augenoptik-Gutachter berechnete fälschlich rein nach dem Anschaffungsdatum einer Brille einen Zeitwert von 80 €.

• Nach neutralen Kriterien begutachtet und ermittelt war der tatsächliche Zeit-Gebrauchswert jedoch über 4 x höher.

• Da eine Brillenfassung ersetzbar ist - bzw. Brillengläser zumeist in ein anderes "Gestell" einzuarbeiten sind - oder aber eine Fassung (je nach Zustand) mit neuen Gläsern versehen werden kann - gehörte es früher wie heute zum "täglichen Brot" des Augenoptikers diese Arbeiten vorzunehmen.

• Die Brillenfassung und die einzelnen Brillengläser werden folglich separat bewertet. (Genauere Angaben hierzu finden Sie unter Punkt 4: "Die genauen Bewertungskriterien")

 


 

Zu 3: Der "Unsinn" mit dem Wiederbeschaffungs-Rythmus (den es gar nicht gibt)

Sehr häufig findet man in Gutachten zur Zeitwertermittlung einer Brille ein sach- und fachlich nicht nachvollziehbares Argument: Immer wieder wird ein sogenannter Wiederbeschaffungsrythmus aufgeführt, anhand dessen der "Wert" einer Brille einfach nach der Zeit heruntergerechnet wird.

So z.B.: "Der durchschnittliche Wiederbeschaffungsrythmus für diese Art Brille beträgt 3,6 Jahre, somit hat die Brille nach 1,8 Jahren nur noch 50% des Wertes....".

• DIESE BEHAUPTUNG IST GRUNDSÄTZLICH FALSCH ! •

Es lässt sich leicht nachvollziehen, daß z.B. eine Brille die 4 Jahre in der Schublade als griffbereite Ersatzbrille lag -und deren Stärken noch zu 100% korrekt sind- für den Inhaber noch vollumfänglich nutzbar ist. Ein Zeitwert von 0,00 € nach Ablauf von 3,6 Jahren kann da nicht richtig sein.

Auch ein geringer Restwert (als "Kulanz"-Restwert meist tituliert) spiegelt den Nutzen dieser Brille für den Träger nicht wieder.

 

Auch wenn dieses exakt ermittelt werden könnte, so stellen sich immer noch die Fragen:

 

Es sei an dieser Stelle mit Nachdruck darauf hingewiesen:

 

Nachweise:

Es bleibt noch anzumerken, daß auch gerne "Informationsquellen" wie z.B. der Zentralverband der Augenoptiker in Düsseldorf genannt werden:

• Hierzu sei gesagt, daß sich dieser seit Jahren mit Nachdruck von derartigen Äusserungen distanziert.

• Es ist korrekt, daß vom ZVA vor vielen Jahren ein Zeitraum offizieller Art genannt wurde.

• Spätestens auf Grundlage der Allenbach-Untersuchung (schon) 2002 wurde diese Meinung jedoch revidiert !

• Der im ZVA-Report 07/2011 genannte Wiederbeschaffungsrythmus basiert ebenfalles auf ungesicherten Erkenntnissen (Sh. Schreiben im Downloadbereich.)

• Insofern kann eine Berufung auf diese Aussage infolge mangelnder Aktualität (und besserem Wissens seit langer Zeit) seriöserweise nicht mehr angeführt werden.




 

Zu 4: Die genauen Bewertungskriterien

4.1: Die grundlegenden Rahmenbedingungen

Die aktuellen ZVA-Richtlinien zur Zeit-Gebrauchswert-Ermitllung von Brillen (Z.Zt. immer noch) Stand 11/2010

(Zu finden im Download-Bereich)

 

4.2: Die präzisierten Bedingungen/Grundlagen

Grundvoraussetzung ist folglich:

• Die Brillenfassung und die Brillengläser müssen einzeln bewertet werden.

Zur Brillenfassung:

Zunächst wird der Anschaffungspreis der Fassung als Ausgangsbasis verwendet. Da eine Brillenfassung u.a. auch modischen Aspekten unterliegt werden pro Jahr degressive 10-25% Abzug (je nach Qualtität der Fassung) vorgenommen.

Um dem Nutzen für den Träger jedoch gerecht zu werden muss ferner nach dem Zustand der Fassung und dem Nutzen noch unterschieden werden.

 

Es gilt:

ZEITWERT DER BRILLENFASSUNG (=Anschaffungspreis 10-25% degress. Abzug/Jahr)
-  ZUSTANDS-ABSCHLAG                 (sh. nachfolgende Definitionen)
= "ZUSTANDS-WERT
+ NUTZBARKEITS-AUFSCHLAG       (sh. nachfolgende Definitionen)
= GEBRAUCHSWERT DER BRILLENFASSUNG

 

Zustands-Abschlags-Definítionen nach Zustand für die Brillenfassung

Zustand 1
• bei Neuwertzustand vor Schadenseintritt bzw. Nichtfestellbarkeit des Ist-Zustandes vor Schadenseintritt (im Zweifel war die Fassung im ordnungsgemäßen Zustand)
Zustand 2
• bei leichten nachweisbaren Gebrauchsspuren und/oder ordnungsgemäßen -nicht offensichtlichen- Reparaturen
Zustand 3
• bei mittleren nachweisbaren Gebrauchsspuren und/oder ordnungsgemäßen -aber offensichtlichen- Reparaturen
Zustand 4
• bei starken bis stärksten nachweisbaren Gebrauchsspuren und/oder offensichtlicher Nichtwiederverwendbarkeit zur Neuverglasung
Zustand 5
• bei offensichtlicher absoluter Unbrauchbarkeit

 

Zustands-Aufschlags-Definitionen nach Nutzbarkeit für die Brillenfassung

Nutzbarkeits-Zustand 1
• bei Wiederverwendbarkeit zur Neuverglasung
Nutzbarkeits-Zustand 2
• bei Weiterverwendbarkeit als Zweitfassung und/oder auch für den Dauergebrauch nicht mehr geeignet
Nutzbarkeits-Zustand 3
• als Not-Ersatzbrille (besser als gar nichts)
Nutzbarkeits-Zustand 4
• bei offensichtlicher Nichtwiederverwendbarkeit (in jeder Hinsicht unbrauchbar)
Hinweis: Die Möglichkeit der Ansetzung von unterschiedlichen Bewertungen für eine Brillenfassung wurde im November 2010 eingeführt.
(Sh. auch: ZVA-Richtlinien zur ZGWE, Punkt 2.1.3 -Fassungsbewertungen-.) Mit der 10ten Version der "ZGWE" wurde dieses umgesetzt.

 

Zu den Brillengläsern (Brillenlinsen)

Bei den Brillengläsern gibt es grundsätzlich keinen Zeitabschlag !
 
Bewertet wird ausschließlich der Zustand der Gläser und dem Nutzen nach den vorliegenden
bzw. aktuell benötigten Stärken:
 
• Sollte der Zustand auch nach Jahren (!) der Gläser noch "1A" sein und sich keine Änderung
in den Stärken ergeben haben, so entspricht der Gebrauchswert der Gläser dem Wert der

WIEDERBESCHAFFUNG (d.h. dem zu ermittelnden, ortsüblichen Wiederbeschaffungspreis !

Dieser kann auch über dem Anschaffungspreis liegen.
• Ist dieses nicht der Fall, so werden festgelegte Abzüge nach den Nutzen und Zustand
der Gläser vom

ANSCHAFFUNGSPREIS abgezogen !

 

 

 
Anders formuliert:

Grundsatz 1:

• Haben die Brillenlinsen vor Schadenseintritt eine 100%ige Gebrauchsfähigkeit, so sind auch 100% des WIEDERBESCHAFFUNGSPREISES (gemessen an dem zu ermittelnden ortsüblichen Preisen) anzusetzen.

Grundsatz 2:

• Trifft Grundsatz 1 nicht uneingeschränkt zu so sind Abzüge vom ANSCHAFFUNGSPREIS vorzunehmen.

Grundsatz 3:

• Abzüge vom Anschaffungspreis werden nach Zustand der Brillenlinsen und den ggf. dioptrisch abweichenden Werten zum aktuellen Stand des Nutzers/der Nutzerin ermittelt und gewertet.

 

Abzüge für den Zustand werden gemäß der folgenden Definitionen vorgenommen:

(Ausnahme Zustand 1)

Zustand 1 (Neuwert)

• Bei Neuwertzustand vor Schadenseintritt bzw. Nichtfestellbarkeit des Ist-Zustandes vor Schadenseintritt (im Zweifel waren die Gläser im ordnungsgemäßen Zustand) -Kein Abzug-

Zustand 2 (Gebrauchsspuren)

• Bei leichten nachweisbaren Gebrauchsspuren, welche sich im Gebrauch nur geringfügig negativ auswirken (kleine Kratzer im Randbereich, kleine Ausplatzer am Rand).

Zustand 3 (Beschädigungen I )

• Bei deutlichen nachweisbaren Beschädigungen, welche sich im Gebrauch auch störend bemerkbar machen (z.B. kleine Kratzer im Zentralbereich, Anrisse in den Linsen)

Zustand 4 (Beschädigungen II )

• Bei starken bis stärksten nachweisbaren Beschädigungen die zu einem deutlich eingeschränkten Sehen führen(z.B. flächenhafte Abschabungen im Rand- oder Zentralbereich)

Zustand 5 (Unbrauchbarkeit)

• Bei offensichtlicher absoluter Unbrauchbarkeit oder nicht vorhanden

 

Abzüge bei Änderungen der Brillenglasstärken

Aufgrund der millionenfachen Möglichkeiten ist eine schnelle Berechnung "von Hand" schlichtweg nicht möglich. Diese hochkomplizierten Berechnungen sind der mit Grund für die Entwicklung und Programmierung der aktuellen ZGWE-Version.
Grundsätzlich wird berechnet, inwieweit die Sehleistung mit den "alten" Stärken gegenüber den ggf. "neuen, aktuellen" Werten prozentual abfällt. Nach Eingabe der bisherigen Werte und der neuen Werte in das Programm berechnet dieses die Differenz und die Sehleistung anhand der folgenden Gegebenheiten bzw. Differenzen:
  • HSA (Hornhautscheitelabstand)
  • Sphäre
  • Cylinder
  • Achse
  • Prisma
  • Addition(en)
Erstellbar für:
Eine Berechnung der reinen Stärkendifferenzen ohne HSA erhalten Sie hier:
http://www.optikgutachter.de/index.php/abzuege-angemessen
 

Für Fachleute:

Berechnet wird das resulierende RD/AR "alt zu neu" bei Berücksichtigung des möglicherweise unterschiedlichen Hornhautscheitel-Abstandes, der Sphäre in/bis erstmaliger Erreichnung des Zustandes Astigmatismus - hyperopicus oder myopicus - simplex (d.h. kleinster erforderlicher sphärischer Anteil -bei torischenDifferenzen- ), hier dann cylindrische Wirkung (AR) voll bewertet, bei rein sphärischen Differenzen erfolgt die Berücksichtigung des reinen sphärischen AR-Wertes.Bei Gleitsichtgläsern werden die jeweiligen Abzüge um 15% erhöht.

• Sämtliche Bewertungen gemäß Zustimmung der anwesenden öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Augenoptiker-Handwerk auf der Jahreshauptversammlung am 11.11.2004 in Knechtsteden bis zur Version 9.

• Sämtliche Bewertungen gemäß Zustimmung der anwesenden öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Augenoptiker-Handwerk auf der Jahreshauptversammlung am 10.11.2010 in Frankfurt am Main ab Version 10. (40 x Ja / 4 Enthaltungen / 1 Gegenstimme.)




 

Zu 5: Wer erstellt eine neutrale Zeit-Gebrauchswert-Ermittlung ?

Das aktuelle -nach den oben genannten Regeln der unabhängigen, neutralen Sachverständigen programmierte- „ZGWE_Programm“ steht jedem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Augenoptiker-Handwerk

• der Bundesrepublik Deutschland

• den österreichischen Kollegen im gleichen Status ("beeideter, zertifizierter Gerichtssachverständiger") und den

• schweizer Kollegen zur Verfügung

Hier finden Sie die jeweiligen Kollegen/Kolleginnen (BRD) in Ihrer Nähe:

Links:

• Sachverständigensuche in Deutschland (bundesweite Suche)

Geben Sie bitte als Fachbereich "Augenoptik" ein.

• Sachverständigensuche in Österreich (bundesweite Suche)

Geben Sie bitte als Fachbereich "Optische Geräte" ein.



Hinweis

(für alle deutschen, österreichischen und schweizer Kollegen und Kolleginnen):

Sollten Sie als

• "Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Augenoptiker-Handwerk der Bundesrepublik Deutschland", oder aber als

• "beeideter, zertifizierter Gerichtssachverständiger" in Österreich

• gleich gestellter Kollege in der Schweiz

dieses Programm noch nicht erhalten haben, bzw. noch nicht die aktuelle Version besitzen, so senden Sie mir bitte unter der E-Mail-Adresse "Kontakt" eine Kopie Ihres Sachverständigen-Ausweises mit der Anfrage zu.

Sie werden das Programm dann ( ggf. nach ein wenig Schriftverkehr ) von mir kostenlos überstellt bekommen.

 


 

Zu 6: Welche Daten und Informationen sind hierfür erforderlich ?

Benötigt wird (sofern vorhanden):

 


 

Zu 7: Kosten dieser Gutachten-Erstellung/Erstattung 

Folgende Angaben gelten nur und ausschließlich bei Erstellung durch meine Person:

Die Grundkosten für eine Zeit-Gebrauchswert-Ermittlung liegen i.d.R. bei ca. 80-100 € zzgl. Mehrwertsteuer (19%).

Wenn alle erforderlichen Daten, Rechnungen und Werte vorgelegt werden können ggf. auch weniger.

Sollte bei den Brillenlinsen eine 100%tige Gebrauchsfähigkeit festgestellt werden, so ist eine sogenannte ortsübliche Preisermittlung erforderlich um den WIEDERBESCHAFFUNGSPREIS zu ermitteln. (Diesen Preis sind/waren die Gläser dann auch Wert.)

In diesem Falle liegen die Gesamt-Kosten nicht unter 80 € zzgl. Mehrwertsteuer (19%). Dieses resultiert aus dem jeweils unterschiedlichen Arbeitsaufwand zur Ermittlung der erforderlichen Tatsachen und ist i.d.R. nur sehr schwer abschätzbar.

In allen Fällen teilt Ihnen der Sachverständige die voraussichtlichen Kosten sowieso vorab mit.

 


 

Zu 8: Artikel in der DOZ 09/2008

mit freundlicher Genehmigung von Herrn RA Peter Schreiber

12 DOZ 9-2008 (Anmerkung W.Hirt: Vorwort)

Viele Haftpflichtversicherer versuchen, Brillenträger im Schadensfall mit einem kräftigen Abzug vom Neupreis abzufinden. Als Grundlage für dieses Verhalten berufen sich die Haftpflichtversicherungen auf die Parteigutachten von Sachverständigen.

Meistens handelt es sich bei den Gutachtern nicht um von den Handwerkskammern öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, sondern um „selbsternannte“ Sachverständige.

In deren Gutachten wird der Zeitwert der beschädigten Brille im Interesse des zahlungspflichtigen Versicherungsunternehmens niedrig bemessen – auf äußerst dünner rechtlicher Grundlage, wie zahlreiche Urteile aus jüngster Zeit belegen.

Tatsächlich haben die Geschädigten häufig einen wesentlich höheren Anspruch auf Kostenerstattung.

 

ÜBERSICHT (Thematiken und Aktenzeichen)

8.1    Versicherungs-Gutachten

8.2    Differenzierte Zeitwert-Berechnung Amtsgericht Essen-Steele ( Az.: 8 C 143/05 )

8.3    Amtsgericht Essen-Steele: Statistischer Wiederbeschaffungsrhythmus ?

8.4    Aktuell: Zeitwertgutachten für beschädigte Brillen

8.5    Amtsgericht Bitburg: Kein Abzug „neu für alt“ ( Az.: 5 C 256/06 )

8.6    Amtsgericht Bitburg: Normaler Verschleiß nicht bedeutsam

8.7    ZVA-Sachverständigenseminar

8.8    Aktuelle Refraktionswerte

8.9    Gebrauchsfähigkeit

8.10  Wiederbeschaffungsrhythmus (!)

8.11  Oberlandesgericht Celle: 75 % ( Az.: 14 U 293/01 )

8.12  Amtsgericht Weinheim: Keine Werterhöhung ( Az.: 2 C 365/02 )

8.13  Amtsgericht Fürth: Kein Gebrauchtmarkt für Brillen

8.14  Amtsgericht St. Wendel: Lebenslange Tragedauer ( Az.: 4 C 98/00 )

• Amtsgericht Arnstadt ( Az.: 2 d C 912/98 )

• Amtsgericht Essen Az.: ( Az.: 16 C 167/98 )

• Amtsgericht Montabaur ( Az.: 10 C 436/97 )

• § 249 BGB - Sonderseite RA Dr. J.Wetzel >>> Hier klicken <<<

 

 

8.1 Versicherungs-Gutachten

Die Versicherungsgutachter gehen bei ihrer Bewertung von einem „durchschnittlichen Wiederbeschaffungsrhythmus“einer Brille aus.

Je nach dem Alter der beschädigten Brille wird dann mit einer einfachen Dreisatz-Rechnung ermittelt, dass die beschädigte Brille zum Zeitpunkt ihrer Beschädigung nur noch einen sehr niedrigen Wert hatte.

Diese - nur scheinbar - objektive Berechnungsmethode wird von den meisten Gerichten jedoch nicht anerkannt.

Trotzdem gibt sich die Mehrzahl der geschädigten Brillenträger offenbar mit der niedrigen Zahlung der Versicherer widerspruchslos zufrieden.

 

8.2 Differenzierte Zeitwert-Berechnung

Einige Urteile aus jüngerer Zeit machen deutlich, dass eine differenzierte Zeitwertberechnung durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vorzugswürdig ist.

Das Amtsgericht Essen-Steele hat mit Urteil vom 4. Januar 2006 (8 C 143/05- rechtskräftig) eine Versicherung zur Zahlung einer höheren Entschädigung verurteilt.

Der Schaden, den der Kläger durch die Zerstörung seiner Brille erlitten hat, betrage nicht lediglich 82,61 Euro, wie die Begutachtung der Haftpflichtversicherung weismachen wollte.

Vielmehr sei ein Gebrauchswert von 382,21 Euro für die Brille im Zeitpunkt der Beschädigung durch die Haftpflichtversicherung anzusetzen.

 

8.3 Amtsgericht Essen-Steele: Statistischer Wiederbeschaffungsrhythmus ?

Der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige hat, so das Gericht, bei seiner Anhörung ausdrücklich begründet, warum es einen durchschnittlichen Wiederbeschaffungsrhythmus der Brille nicht gibt, der Basis für eine Abwertung von Brillengläsern sein könne.

Das Gericht folgt der Meinung des Sachverständigen, dass bei der Bewertung im wesentlichen auf eine individuelle Betrachtungsweise für den Nutzer abzustellen sei. Ebenfalls müsse berücksichtigt werden, dass es keinen Gebrauchtmarkt für Brillengläser selbst gibt.

Der Sachverständige hatte nachvollziehbar begründet, dass die Dioptrienstärken für die Ferne der Gleitsichtbrille des Geschädigten sich nicht geändert haben, so dass insoweit bei der Festsetzung des Gebrauchswertes lediglich die Abnutzungserscheinungen berücksichtigt wurden.

Nur für die veränderte Stärkenänderung im Nahsehfeldbereich von 0,5 dpt hatte der gerichtlich bestellte Sachverständige einen Abzug von 33 % auf den Glaspreis für berechtigt gehalten.

Allerdings war für den Sachverständigen bei seiner Anhörung vor Gericht klar, dass die Brille trotz der Sehstärkenänderung weiterhin für jemanden, der keine besonderen Ansprüche an die Nutzung im Nahbereich stellt, durchaus noch längere Zeit gebrauchsfähig gewesen wäre.

Daraus zieht das Gericht den Schluss, dass die Brillengläser trotz der Sehstärkenänderung im Zeitpunkt der Beschädigung nicht unbrauchbar gewesen sind. Daher sei auch kein höherer Abzug auf den Glaspreis als die vom Sachverständigen angesetzten 33 % berechtigt.

 

8.4 Zeitwertgutachten für beschädigte Brillen

DOZ 9-2008 13

Das Amtsgericht Essen-Steele hat zudem die vom Sachverständigen dargelegte Preissteigerung seit dem Kaufdatum der Brille mit zugrunde gelegt.

 

8.5 Amtsgericht Bitburg: Kein Abzug „neu für alt“

In die gleiche Richtung geht das Urteil des Amtsgerichts Bitburg  vom 30. März 2007 (5 C 256/06).

Der von der Haftpflichtversicherung des Schädigers vorgenommene Abzug „neu für alt“ ist nach Auffassung des Gerichts nicht berechtigt.

Das Gericht folgt insofern „den überzeugenden Ausführungen des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen“ Rolf Kranz, der sein Gutachten im Gerichtstermin auch mündlich erläuterte.

Mit dem Abzug „neu für alt“ soll im Schadenersatzrecht verhindert werden, dass der Geschädigten einen „Gewinn“ dadurch erzielt, dass er ein neuwertigesProdukt anstelle des – später beschädigten – älteren Produktes erhält.

Sowohl im Sachverständigengutachten des Gerichtsgutachters als auch im Urteil selbst wird jedoch ausgeführt, dass ein solcher Abzug „neu für alt“ bei Brillen im Regelfall nicht vorliegt.

 

8.6 Amtsgericht Bitburg: Normaler Verschleiß nicht bedeutsam

Das Gericht hebt hervor, dass es sich bei der wiederbeschafften Brille um die gleiche Brille in Glasstärke, Glasausführung und Fassung handele. Dabei geht das Gericht davonaus, dass die Brillengläser im Zeitpunkt des Schadens über den normalen Verschleiß hinaus nicht beschädigt waren und auch die Fassung der Brille keine starke Beschädigung aufgewiesen hat.

Einfache Wasserflecken in mineralischen Brillengläsern sowie Patina an der Brillenfassung bzw. an den Nasenpads stellten keine Wertminderung dar.

Besonders peinlich war, dass der Parteigutachter der Versicherung die beschädigte Brille vor dem Gerichtsverfahren „entsorgt“ hatte. Dem gerichtlich bestellten Sachverständigen Kranz lag die beschädigte Originalbrille trotz des schwebenden Verfahrens nicht vor.

Hierzu stellt das Gericht ausdrücklich klar: „Beweisnachteile, die hierdurch entstanden sind, sind dem Beklagten (der Versicherung, Hinzufügung des Autors) anzulasten.

 

8.7 ZVA-Sachverständigenseminar

Die korrekte Zeitwertermittlung einer beschädigten Brille ist Dauerthema beim jährlichen ZVA-Seminar für die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen im Augenoptiker-Handwerk.

Der Zeitwert für eine Brille ist schwierig zu ermitteln. Es besteht jedoch Einigung unter den qualifizierten Sachverständigen, dass bei der Zeitwertberechnung eine differenzierte Herangehensweise notwendig ist.

Ein lapidarer Abzug vom Neupreis allein aufgrund des Alters einer Brille im Verhältnis zum angeblichen „Wiederbeschaffungsrhythmus“ ist nach Auffassung der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen keinesfalls sachgerecht.

 

8.8 Aktuelle Refraktionswerte

Daher differenzieren die meisten Sachverständigen zunächst zwischen Fassung und Korrektionsgläsern. Es wird individuell geprüft, inwiefern Fassung bzw. Gläser schon vorher Beschädigungen aufgewiesen haben.

Bei den Gläsern kommt es zudem auf die aktuellen Refraktionswerte des Brillenträgers an. Haben sich die Refraktionswerte im Vergleich zur alten beschädigten Brille wesentlich verändert, ist die beschädigte Brille für den Brillenträger nicht mehr voll gebrauchsfähig.

Entsprechend sind im Verhältnis zu den Abweichungen der aktuellen Refraktionswerte von den alten Brillenwerten angemessene Abschläge zulässig.

(Anmerkung des SV:

Für den Laien existiert hierzu das Programm " SLD-2012 ":

Berechnung der Sehleistungsdifferenz "Neu zu Alt".

Link: http://www.optikgutachter.de/index.php/abzuege-angemessen )

 

8.9 Gebrauchsfähigkeit

Umgekehrt ist eine Korrektionsbrille unabhängig von ihrem Alter noch zu 100 % gebrauchsfähig, wenn sich die Refraktionswerte des Brillenträgers nicht wesentlich geändert haben. Insofern kann der Zeitwert dieser Brille trotz ihres Alters durchaus 100 % des damaligen Kaufpreises betragen.

Wenn man dann noch Preissteigerungsraten hinzurechnet, kann der Zeitwert einer älteren, aber noch voll funktionsfähigen Brille sogar über 100 % des ursprünglichen Kaufpreises liegen.

 

8.10 Wiederbeschaffungsrhythmus

Ein wie auch immer ermittelter „Wiederbeschaffungsrhythmus“ für Korrektionsbrillen ist als Berechnungsgrundlage ungeeignet. Die objektive wissenschaftliche Feststellung eines Wiederbeschaffungsrhythmus liegt nicht vor.

Meist werden nur Rückschlüsse aus der Allensbach-Brillenstudie gezogen, die bei einer regelmäßig ("..en Studie" / Anm. W.Hirt) Verbraucher danach fragt, wann die aktuelle Brille denn erworben wurde.

Es geht dabei also um das subjektive Erinnerungsvermögen der Brillenträger, welches erheblich vom tatsächlichen Kaufdatum abweichen kann.

Welcher Verbraucher weiß schon spontan, ob seine aktuelle Brille vor 12, 18 oder 36 Monaten gekauft wurde? Seriöse Rückschlüsse auf einen „statistischen Wiederbeschaffungsrhythmus“ lassen sich aufgrund dieser Umfrage nicht ziehen.

Einen guten Überblick über die differenzierte Berechnung des Zeitwertes gibt die

Heimatseite des Sachverständigen Wolfgang Hirt: www.optikgutachter.firmenimnetz.de.

Anmerkung des Sachverständigen Wolfgang Hirt, jetzt: www.optikgutachter.de (diese Seiten).

 

8.11 Oberlandesgericht Celle: 75 %

Da den Schadenersatz-Prozessen wegen beschädigter Brillen meist nur geringe Streitwerte zugrunde liegen, gibt es beinahe nur Urteile von Amtsgerichten zu dieser Frage.

Es ist lediglich eine neuere Entscheidungeines höheren Gerichts bekannt:

Mit Urteil vom 15. Januar 2004 (14 U 293/01) hat das Oberlandesgericht Celle in einem umfangreichen Schadenersatzprozess wegen eines Verkehrsunfalls in einem Unterpunkt den erstattungsfähigen Restwert einer vier Jahre alten Motorradbrille mit 75 % angenommen.

Leider enthält das Urteil für die Berechnung dieser Schadensposition keine ausführliche Begründung. Auch ergibt sich aus dem Urteil nicht, ob es sich um eine Brille mit Korrektionswirkung handelte.

Das Gericht wendet für die Zeitwertberechnung eine Argumentation im Hinblick auf den ebenfalls beschädigten Motorradhelm „entsprechend“ an und geht von einer tatsächlichen Nutzungsdauer von 8 Jahren aus, wobei es jedoch„ den in Anbetracht der Preissteigerungen der letzten Jahre sicher spürbar höheren Neupreis zugrunde zu legen“ hatte.

14 DOZ 9-2008

 

8.12 Amtsgericht Weinheim: Keine Werterhöhung

Ein weiteres Urteil, das einen Abzug "neu für alt" wegen der Zerstörung von Brillengläsern ablehnte, ist das Amtsgericht Weinheim mit seinem Urteil vom 8. Januar 2003 (2 C 365/02). 

Das Amtsgericht begründet, dass zwar auch Brillen der Alterung unterliegen. Ein Abzug „neu für alt“ komme aber nur in Betracht, wenn bei Ersatz einer gebrauchten Sache durch eine neue eine Werterhöhung eintritt. Eine messbare Vermögensmehrung in Form einer Werterhöhung soll sich für den Geschädigten wirtschaftlich nicht günstig auswirken.

Für eine neue Brille tritt nach Auffassung des Amtsgerichts Weinheim eine messbare Vermögensmehrung nicht ein, auch dann nicht, wenn der Geschädigte sich wegen seiner leicht veränderten Sehkraft ohnehin neue Brillengläser angeschafft hätte.

 

8.13 Amtsgericht Fürth: Kein Gebrauchtmarkt für Brillen

Auch das Amtsgericht Fürth/Odenwald hat im Fall eines durch ein Geschoss beschädigten Brillenglases einen Abzug „neu für alt“ verneint. Es sei davon auszugehen, dass der Gebrauchswert der alten Brille bis zu deren Beschädigung noch nicht beeinträchtigt war.

Zwar war die Brille nach den Angaben des Sachverständigen mit einer Vielzahl von stecknadel-durchmessergroßen Flecken versehen. Diese Flecken beeinflussten allerdings nach der Feststellung des Sachverständigen die Nutzbarkeit der Brille nicht, da sie nicht wahrgenommen werden konnten.

Es bestand daher auch auf Seiten des Geschädigten zum Zeitpunkt des Schadensfalls keinerlei Notwendigkeit, die Gläser durch neue zu ersetzen.

Ausdrücklich schreibt das Amtsgericht:

„Einen Restwert der Brille braucht die Klägerin sich nicht anrechnen zu lassen, da es für gebrauchte Brillen keinen Gebrauchtwarenmarkt gibt und die Klägerin von daher den Restwert der beschädigten Brille überhaupt nicht realisierten könnte.“

 

8.14 Amtsgericht St. Wendel: Lebenslange Tragedauer

Ausdrücklich zum „Wiederbeschaffungsrhythmus“ nimmt ein Urteil des Amtsgerichts Wendel vom 26. April 2000(4 C 98/00) Stellung:

„Wie lange Brillen tatsächlich getragen werden, ist objektiv nicht festlegbar. Es gibt Brillen, die nach zwei bis drei Jahren nicht mehr getragen werden, weil der Brillenträger der Mode folgt und sich eine neue Brille anschafft, oder nicht mehr getragen wird, weil sich das Sehvermögen verändert hat.

Es gibt auch Brillen, die quasi ein Leben lang getragen werden, weil der Brillenträger Modeerscheinungen nicht folgt und sich sein Sehvermögen nicht ändert.“ Ein natürlicher Verschleiß sei bei normalem Tragen einer Brille nicht gegeben.

Insofern komme es auch nicht auf eine durchschnittliche Tragedauer einer Brille an, sondern auf die individuelle Tragedauer des Geschädigten, die allein von seinem Wille abhängig ist. Der Geschädigte hätte seine Brille grundsätzlich lebenslang tragen können, so dass er sich keinen Abzug „neu für alt“ anrechnen lassen musste.

 

Ebenso verneinen das

Amtsgericht Arnstadt mit Urteil vom 22. März 1999 (2 d C 912/98),

Amtsgericht Essen mit Urteil vom 24. März 1999 (16 C 167/98) und das

Amtsgericht Montabaur mit Urteil vom 25. September 1997 (10 C 436/97)

einen Abzug „neu für alt“ für Korrektionsbrillen.

 

Diesen Beitrag finden Sie auch im Download-Bereich

(Aus juristischen Gründen ohne Punkt 8)

Stand: 07.01.2016